Ein Grand Hotel ist mehr als seine Zimmer, mehr als seine Sterne, mehr als die Marmorböden, durch die das Licht der Jahrhunderte fällt. Ein Grand Hotel ist ein Versprechen – an die Idee von Gastfreundschaft, an das Unaufgeregte, an die Würde des Ankommens. Und vielleicht ist es gerade das: die Haltung, mit der jemand anderen die Tür öffnet, ein Glas einschenkt, einen Namen erinnert.
In einer Zeit, in der sich alles beschleunigt, ist das Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg ein merkwürdiger Ort. Merkwürdig im besten Sinne: voll von Merk-Würdigem. Es liegt nicht nur an der Geschichte dieses Hauses an der Binnenalster. Es liegt auch an einem Mann, der seit bald drei Jahrzehnten dort die Verantwortung trägt – mit Haltung, mit Maß, mit einer beinahe altmodischen Ernsthaftigkeit, die nichts Theatralisches hat. Ingo C. Peters ist Direktor, aber in Wahrheit ist er etwas anderes: ein Chronist der Gastlichkeit, ein Verteidiger des Dazwischen.
Der andere Blick auf den Gast
Peters spricht viel von Perfektion, aber meint damit etwas anderes als das Klischee. „Früher haben wir mit der Maurerschnur die Gläser ausgerichtet“, sagt er. „Heute geht es um emotionale Intelligenz.“ Nicht das Arrangement sei entscheidend, sondern das Gespür – wann sich jemand gesehen fühlt, wann nicht. Wann man präsent ist, ohne aufdringlich zu werden. Wann man erkennt, ohne zu taxieren.
Perfektion liegt heute nicht mehr in der Millimetergenauigkeit, sondern in der emotionalen Intelligenz.
Ingo C. Peters
Es ist eine stille Kunst. Eine, die sich nicht in Designpreisen oder Check-in-Zeiten bemisst, sondern in Augenblicken: Wenn ein Gast, der eigentlich anonym bleiben wollte, plötzlich das Gefühl hat, nicht gleich, aber richtig angesprochen worden zu sein. Wenn ein Paar, das sich diesen einen Abend in der Wohnhalle gönnt, denselben Respekt erfährt wie ein Konzernchef im Dauersuite-Modus.
„Der Trick ist: jedem das Gefühl geben, er sei besonders. Und dabei niemanden bevorzugen.“ Ein Satz, der leicht klingt – und schwer wiegt.
Was bleibt, wenn man sich bewegt
Als Peters 1997 zurück nach Hamburg kam, nach Jahren in London, New York, Jakarta, war das Hotel Vier Jahreszeiten weit von seinem Ruf entfernt. „Es war in einem katastrophalen Zustand“, sagt er rückblickend. Doch er sah darin eine Chance. Nicht den Glanz zu konservieren, sondern ihn neu zu entwerfen. Nicht in einem großen Wurf – sondern in der geduldigen, fast stoischen Arbeit an der Substanz.
Er begann nicht mit den Zimmern. Er begann mit dem, was ein Haus atmen lässt: der Gastronomie. Er widersetzte sich den Stimmen, die aus den Bars und Restaurants Eventflächen machen wollten und aus dem einst legendären Jahreszeitenkeller ein Lager. Stattdessen führte er ein neues Restaurant ein, später weitere, immer mit dem Blick auf die Stadt, nicht nur auf den Gast. „Wenn die Hamburger sagen: Dort gehe ich hin – dann folgen auch die internationalen Gäste.“
Heute stammt der Großteil der Besucher im Restaurantbereich aus Hamburg selbst. Das Haus ist wieder Teil der Stadt geworden. Nicht Enklave, sondern Bühne. Nicht Behauptung, sondern Beweis.
Erfolg als Zumutung
Die eigentliche Herausforderung, sagt Peters, komme mit dem Erfolg. Wer oben ist, könne sich leichter ausruhen – oder früher müde werden. Doch genau das dürfe nie geschehen. „Wenn man aufhört, besser zu werden, hört man auf, gut zu sein.“ Also überprüft er regelmäßig das, was gut läuft: den Afternoon Tea etwa, der in der Weihnachtszeit über eine Viertelmillion Euro Umsatz bringt. Statt sich zu feiern, reiste er mit seinem Team nach London, verglich, testete, verwarf, erneuerte. „Wir wollen nicht mithalten. Wir wollen vorangehen.“
Und das heißt: immer wieder riskieren. Auch wirtschaftlich. Neue Konzepte erfordern neue Stellen – bevor klar ist, ob sie sich rechnen. „Ich kann nicht warten, bis ich die Umsätze habe, um den Service zu bieten. Ich muss ihn bieten – und daran glauben.“ So wurden elf neue Mitarbeiter für den Jahreszeiten Grill eingestellt, bevor der erste Teller aus der neuen Küche kam.
Die Haltung eines Hauses
Ingo C. Peters ist keiner, der von sich spricht. Und doch ist es sein Blick, der das Haus prägt. Er entscheidet, wie die Blumen arrangiert werden, ob eine neue Haarbürste in das Gäste-Amenity kommt, wie viele Klingen ein Rasierer haben soll. Es klingt klein. Und ist es nicht. Es ist der Unterschied zwischen einem Hotel und einem Zuhause auf Zeit.
„Wir haben keine Finish Line“, sagt Peters. „Es gibt kein Ankommen in der Gastlichkeit.“ Was bleibt, ist Bewegung. Was bleibt, ist Haltung.