Von außen wirkt das Restaurant wie ein Statement in Stahl und Glas, innen zieht sich ein geschwungener Tresen wie ein Fluss durch den Raum. Kein Versteckspiel, keine geschlossene Küche, keine Schwellenangst. Wer das The Table in Hamburg betritt, begibt sich in ein kulinarisches Gespräch – mit der Küche, mit der Idee dahinter, und mit einem Mann, der seit Jahren zu den stillen Revolutionären der Spitzengastronomie gehört: Kevin Fehling.
Fehling hat dem vermeintlich elitär gewordenen Begriff des Drei-Sterne-Restaurants eine neue Bedeutung gegeben. Sein Weg dorthin führte nicht über große Konzerne oder luxuriöse Hotelküchen, sondern über Konsequenz. Und über eine Entscheidung, die für viele in seiner Branche wie ein Akt der Unvernunft wirkte: ein eigenes Restaurant, unabhängig, selbstfinanziert, fern der Sicherheiten des Systems. „Da kam einer, der wusste es nicht – und hat es trotzdem getan“, sagt er heute selbst über diesen Moment.
Kochen mit Haltung
Es gibt viele Möglichkeiten, ein Gericht zu perfektionieren. Doch der wahre Anspruch, so Fehling, liege nicht in der Komplexität, sondern in der Reduktion. Drei Aromen, eine Idee, ein präziser Geschmack: „Wenn du mit wenig viel sagst, dann beginnt Magie.“ Dabei ist seine Inspiration global. Mexikanische Tacos, asiatische Brühen, nordafrikanische Gewürze – Fehling reist, schmeckt, kombiniert. „Aber nie der Kopie wegen“, betont er. Es gehe darum, Welten zu verbinden, nicht sie zu reproduzieren.
Wenn man mit wenigen Komponenten eine Geschmacksexplosion erzeugt, dann ist das die wahre Kunst.
Kevin Fehling
Sein kreativer Prozess beginnt nicht immer am Herd. Manchmal auf dem Sofa, manchmal mit einem Geräusch, einem Duft, einer Kindheitserinnerung. Und oft ganz einfach mit einem Stift. „Wenn der Flow kommt, muss ich schreiben – dann sprudelt es.“ Was dann folgt, ist Feinschliff. Wochen, manchmal Monate, in denen eine Idee in der Küche Form annimmt – bis sie Fehlings Zustimmung erhält. Kein Gericht verlässt den Tresen ohne sein letztes Wort.
Die unsichtbare Revolution
Doch vielleicht liegt die eigentliche Revolution gar nicht auf dem Teller. Sondern dahinter. Im Team, in der Art, wie gearbeitet wird, wie miteinander umgegangen wird. In einer Branche, die oft für ruppigen Ton, für Überstunden und verschlissene Karrieren bekannt ist, setzt Fehling auf eine andere Haltung. „Wir kochen gemeinsam, essen gemeinsam, sprechen miteinander – wie eine Familie“, sagt er. Die Fluktuation in seinem Team ist niedrig, die Loyalität hoch. Viele bleiben seit Jahren. Sein Küchenchef Matthias etwa, mit dem Fehling mittlerweile auf Augenhöhe kreiert.
Dass der Mensch im Zentrum steht, zeigt sich auch in seiner Reaktion auf die Corona-Zeit. Fehling war schwer betroffen, fiel wochenlang aus – und erkannte, wie wichtig ein stabiles Team ist, das auch ohne ihn funktioniert. Ein Kontrollverlust, der zur Vertrauensübung wurde. Und zur langfristigen Investition in eine nachhaltigere Form der Exzellenz.
Von Hamburg bis Lissabon
Dass das alles funktioniert, beweisen nicht nur die Sterne, sondern auch die Gäste, die aus aller Welt kommen. Manche reisen nur für einen Abend im The Table an. Für Fehling eine Ehre – aber kein Grund zur Selbstinszenierung. „Ich möchte durch die Stadt gehen, ohne erkannt zu werden“, sagt er. Seine Arbeit spricht für sich. Und sie wächst. Neben dem Restaurant betreibt er mit der Puzzle-Bar ein zweites Projekt, das Kulinarik und Barkultur verbindet – präzise wie ein Uhrwerk, verspielt wie ein Puzzleteil.
Dennoch: Bei allem kreativen Drang bleibt Fehling realistisch. Er spricht von Verantwortung – für seine 30 Mitarbeitenden, für seine Familie, für die eigene Zukunft. Ein Leben in Portugal, irgendwann, kann er sich vorstellen. Mit einer Außenküche, etwas Fisch vom Markt, und der Reduktion auf das Wesentliche.