In den Vereinigten Staaten entscheiden längst nicht mehr nur Wählerinnen und Wähler über den Ausgang politischer Machtkämpfe. Es sind vor allem jene, die sich einen Wahlkampf buchstäblich leisten können: Milliardäre, Unternehmerdynastien und Tech-Titanen. Während offizielle Wahlkampfspenden an Kandidaten formal begrenzt sind, ermöglichen sogenannte Super-PACs – unabhängige politische Aktionskomitees – nahezu unbegrenzte Geldflüsse. Was in den USA als freie Meinungsäußerung gilt, würde in Europa als offener Angriff auf die demokratische Chancengleichheit gelten.
„Der Einfluss der Spenderklasse ist nicht gleichzusetzen mit dem Interesse der Bevölkerung“, sagt der Journalist Julian Heißler, der sich in seinem neuen Buch „Amerikas Oligarchen“ mit dem politischen Machtzuwachs der Superreichen beschäftigt. „Die Mechanismen im Regierungssystem zwingen Politiker dazu, sich an den Erwartungen dieser kleinen Elite zu orientieren.“
Die politische Elite folgt nicht mehr der Mitte der Gesellschaft, sondern der Mitte der Vermögenspyramide – genauer gesagt: deren Spitze.
Von der Republik zur Rendite
Es ist ein Irrtum zu glauben, das Phänomen sei neu. Schon bei der Gründung der Vereinigten Staaten war das Streben nach Eigentum tief in der Verfassung verankert. „Die amerikanische Verfassung hat von Anfang an Eigentumsrechte stark betont“, so Heißler. Die Präsidenten der frühen Jahre – Plantagenbesitzer, Großgrundbesitzer, wirtschaftlich privilegierte Männer – waren Vertreter eben jener Oberschicht, die das neue Staatswesen auf ihre Interessen zuschnitt.
Was sich jedoch verändert hat, ist der Hebel der Einflussnahme. Seit der Entscheidung des Supreme Court im Fall Citizens United v. FEC im Jahr 2010 dürfen Superreiche nahezu unbegrenzt in Wahlkämpfe investieren. Die Folge: Politik ist zunehmend abhängig von wenigen Spendern. „Es gibt Milliardäre, die fordern eine Gegenleistung für ihre Zuwendungen – und es gibt andere, die geben Geld, weil sie wollen, dass die Welt durch den Kandidaten ihre Handschrift trägt“, sagt Heißler. In beiden Fällen wird Macht auf private Vermögen übertragen – ohne demokratische Kontrolle.
Superreiche entscheiden nicht nur, wer kandidiert – sie bestimmen zunehmend auch, worüber gesprochen wird.
Julian Heißler
Ein Beispiel dafür ist Elon Musk, der nicht nur durch Spenden, sondern auch durch sein Eigentum an Plattformen wie X (vormals Twitter) oder sein KI-System Grok Einfluss nimmt. „Wer vor und nach Musk Twitter genutzt hat, erkennt die Veränderung der Inhalte und Prioritäten“, erklärt Heißler. Was sichtbar ist – und was nicht – wird durch Algorithmen bestimmt. Wer diese kontrolliert, gestaltet die öffentliche Debatte. Das ist keine Dystopie mehr, das ist Gegenwart.
Macht durch Sichtbarkeit
Doch nicht jeder handelt im Licht der Öffentlichkeit. Timothy Mellon, Sprössling einer alten Bankiersdynastie, überweist viele Millionen Dollar an ein trumpnahes Super-PAC, ohne öffentlich aufzutreten. 130 Millionen US-Dollar dann kürzlich als Spende an das US-Militär, um Soldaten während des Shutdowns weiter bezahlen zu können. Die Botschaft: Der Staat mag wanken, aber die Oligarchen sichern die Stabilität – zu ihren Bedingungen.
Diese Einflussnahme geschieht selten direkt. „Die Oligarchen in den USA sind nicht an der Macht“, sagt Heißler, „sie müssen es nicht sein. Das System agiert längst in ihrem Sinne.“ Die Unterschiede zu autoritären Oligarchien wie in Russland seien dennoch gravierend: „In den USA muss niemand befürchten, dass er aus dem Fenster stürzt, wenn er sich vom Präsidenten abwendet.“ Und doch: Die Mechanismen, mit denen politische Entscheidungen durch Geld gelenkt werden, ähneln sich in ihrer Wirkung.
In Staaten wie Wisconsin, traditionell ein politisches Zünglein an der Waage, reichen einige Millionen Dollar für Wahlwerbung aus, um die Stimmung zu kippen. „In einem Fall wurde ein unbeliebter republikanischer Senator durch die gezielte Zuwendung einiger Milliardäre an der Macht gehalten – gegen alle Umfragen, gegen alle Erwartungen“, berichtet Heißler. Demokratie wird so zum Markt – und politische Werbung zur Investition mit erwarteter Rendite.
Demokratie im Dauerstress
Ist dieser Zustand reversibel? Heißler ist skeptisch. Zwar gab es in der Vergangenheit Reformversuche – etwa die Wahlkampffinanzierungsreform von John McCain und Russ Feingold – doch sie wurden letztlich durch den Supreme Court ausgehebelt. „Die gegenwärtige Rechtslage hat quasi Verfassungsrang. Ein neuer Verfassungszusatz wäre nötig, um die Spielregeln zu ändern – politisch ist das aber nicht durchsetzbar.“ Die Hoffnung auf ein System jenseits des Geldes bleibt vage. Die Regeln, so scheint es, schreiben heute jene, die sie sich leisten können.
Und doch gibt es auch Momente der Gegenwehr. Als Elon Musk sich mit Käsehut auf einer Bühne in Wisconsin zeigte, um einen konservativen Kandidaten zu unterstützen, verlor dieser mit deutlichem Abstand. Heißler: „Die Leute wollten keinen Milliardär, der sich in ihre lokale Justizwahl einmischt.“ Doch das System, das diese Einmischung ermöglicht, bleibt intakt.



